Die Durchsetzung ausländischer Erbansprüche in Spanien
Dieser Artikel befasst sich mit der gerichtlichen Durchsetzung ausländischer erbrechtlicher Ansprüche in Spanien. Dabei soll ein kurzer einführender Einblick in die Materie gegeben werden – eine ausführliche Rechtsberatung kann dieser Artikel nicht ersetzen.
Das internationale Privatrecht bietet eine Reihe von Möglichkeiten für die Regelung der Erbnachfolge mit ausländischem Bezug. Es ist hervorzuheben, dass dies eine sehr komplexe Materie ist, da sie versucht, mehrere unterschiedliche Rechtssysteme in Einklang zu bringen.
Ich will insbesondere zwei Aspekte hervorheben, die allem internationalen Privatrecht gemein sind, und die zum Verständnis benötigt werden. Zum einen soll klargestellt werden wann die Zuständigkeit spanischer Gerichte eröffnet ist, zum anderen, welches Recht in internationalen Erbfällen Anwendung findet.
Zuständigkeit der spanischen Gerichte
Zunächst stellen wir uns die Frage nach der Zuständigkeit der spanischen Gerichte.
Diese ist in Art. 22 des Gesetzes 6/1985 vom 1. Juli zur Gerichtsbarkeit geregelt. Darin wird insbesondere festgelegt, wann spanische Gerichte im Rahmen des Zivilrechts zuständig sind.
Dort heißt es:
„1.Spanische Gerichte sind ausschließlich zuständig für:
- Rechte an Grund und Boden in Spanien
- Gründung, Wirksamkeit und Nichtigkeit von Gesellschaften oder juristischen Personen mit Sitz in Spanien
- Beschlüsse der Organe solcher Gesellschaften oder juristischer Personen
- Überprüfung und Führung offizieller spanischer Verzeichnisse oder Bücher
- Überprüfung und Schutz von Patenten und anderen Rechten, die in Spanien angemeldet oder eingetragen wurden
- Durchsetzung von ausländischen Urteilen und Titeln
2. Spanische Gerichte sind grundsätzlich auch zuständig, wenn dies die Parteien ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben oder, wenn der Beklagte in Spanien wohnt.
3.Sollte keine Zuständigkeit nach Nummer 1 oder 2 vorliegen, dann sind spanische Gerichte auch zuständig für:
- Erklärung einer Person als vermisst oder tot, vorausgesetzt diese Person hatte ihren letzten Wohnsitz auf spanischem Hoheitsgebiet
- Schutz von Minderjährigen und Behinderten, sofern diese ihren Wohnsitz in Spanien haben
- Rechtliche Beziehungen zwischen Eheleuten, Annulierung von Ehen, Trennung und Scheidung, sofern beide Eheleute in Spanien wohnhaft sind, oder der Kläger spanischer Staatsbürger und in Spanien wohnhaft ist, oder beide Parteien spanische Staatsbürger sind und mit der Zuständigkeit in Spanien einverstanden sind
- Sorgerechtsfragen, sofern das Kind dauerhaft in Spanien wohnhaft ist, oder der Kläger spanischer Staatsbürger ist oder in Spanien wohnt
- Die Durchführung von Adoptionen, wenn die adoptierende oder die adoptierte Partei in Spanien wohnhaft ist
- Unterhaltsfragen, wenn der Gläubiger in Spanien wohnhaft ist
- Vertragliche Ansprüche, sofern der Vertrag in Spanien geschlossen oder ausgeführt wurde
- Erbrechtliche Fragen, wenn der Erblasser zuletzt in Spanien gelebt hat, oder dort Eigentum hatte.“
Aus diesen drei Absätzen lässt sich für unser erbrechtliches Thema folgendes herauslesen:
- Es gibt Angelegenheiten, die ausschließlich der spanischen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind. In diesen Angelegenheiten werden also auch ausländische Urteile nicht anerkannt werden.
- Man kann sowohl ausdrücklich, als auch konkludent Spanien als Gerichtsstand wählen. Dabei sei beachtet, dass für die ausdrückliche Gerichtsstandsvereinbarung Art. 55 der Zivilprozessordnung verlangt, dass sich die Parteien ausdrücklich auf ein Gericht einigen.
- Die Zuständigkeit der Gerichte kann vom Wohnsitz des Beklagten abhängig sein.
- Spanische Gerichte sind zuständig, wenn der letzte Wohnort des Erblassers in Spanien lag, oder er zumindest Eigentum in Spanien hatte.
Abschließend ist festzuhalten, dass in Spanien der Grundsatz der einheitlichen Entscheidung im Erbrecht gilt. Dies hat zur Folge, dass ein Gericht alle rechtlichen Fragen eines Erbfalles klärt, auch wenn theoretisch mehrere Gerichte zuständig sind.
Anzuwendendes Recht
Nachdem die Frage der zuständigen Gerichtsbarkeit beleuchtet wurde, stellt sich die Frage, welches Recht von den Gerichten anzuwenden ist. Das internationale Privatrecht verweist dafür auf Art. 9 Abs. VIII des Código Civil. Dieser besagt:
“Die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt dem Recht des Staates, dem der Verstorbene zuletzt angehört hat, unabhängig davon, wo der Nachlass liegt. Nach diesem Recht richtet sich auch die Zuordnung des Pflichtteils. Letztwillige Verfügungen oder Erbverträge werden nach dem Recht des Landes ausgelegt, in dem sie getroffen oder abgeschlossen wurden, auch wenn dieses nicht das Recht des Staates ist, dem der Verstorbene zuletzt angehört hat. Die Rechte des verwitweten Ehepartners richten sich nach dem Recht, dem die Ehe unterlag.“
Daraus ergibt sich Folgendes:
Im Falle der gesetzlichen Erbfolge richtet sich diese immer nach dem Recht des Staates, dem der Verstorbene zuletzt angehört hat. Dies gilt unabhängig davon, in welchem Staat der Nachlass liegt.
Im Falle der gewillkürten Erbfolge unterliegt diese dem Recht des Staates, in dem das Testament verfasst wurde. Dieses Recht kann sich also von dem der Staatsangehörigkeit unterscheiden. Die anzuwendenden Regelungen zum Pflichtteil wiederum entspringen dem Recht des Staates, dem der Verstorbene zuletzt angehört hat.
In dem Fall, dass ein britischer Staatsbürger nach britischem Recht (welches das Prinzip des Pflichtteils nicht kennt) ein Testament verfasst, danach spanischer Staatsbürger wird und anschließend stirbt, unterläge das Testament dieses spanischen Staatsbürgers britischem Recht. Allerdings wären auch die spanischen Regelungen zum Pflichtteil anzuwenden, die dem britischen Recht völlig fremd sind. Die Folge wäre, dass ein großer Teil des Erbes nicht dem testamentarisch bestimmten Erben zukäme, sondern vielmehr den Pflichtteilsberechtigten.
Möglich wäre, dass auch noch ein weiteres Recht Anwendung findet, nämlich dann, wenn der Verstorbene verheiratet war. Die Rechte der Witwe/des Witwers richten sich nach dem Recht, dem die Ehe unterlag. Es kann also passieren, dass drei verschiedene nationale Rechte Anwendung auf einen Erbfall finden.
Fazit
Es lässt sich also festhalten, dass Erbfälle mit internationalem Bezug in höchstem Maße kompliziert sein können. Sowohl die Feststellung der zuständigen Gerichtsbarkeit, als auch des anzuwendenen Rechts bedürfen einer eingehenden Prüfung im Einzelfall.
Nicolás Melchior
Mariscal Abogados, Rechtsanwälte Madrid, Spanien
Eurojuris España, Netzwerk von Spanischen Anwaltskanzleien